Montag, 29. Juni 2009

Das Petermännchen (Trachinus draco)

Die Petermännchen (Trachinidae) sind Fische, die in die Ordnung der Barschförmigen (Perciformes) eingeordnet werden. Die Färbung ist sehr variabel und oft dem Bodengrund angepasst, das Große Petermännchen (Trachinus draco) zeigt eine gelbbraune Färbung mit dunkleren und leuchtend blauen Querstreifen, das Kleine Petermännchen (Trachinus vipera) ist graubraun gefärbt mit dunkelbraunen Punkten. Der Körper ist gestreckt, bis max. 50 cm lang, und seitlich abgeflacht. Augen und Mundspalt sind nach oben gerichtet. Der Kiemendeckel hat je einen nach unten gerichteten giftigen Dorn, die vordere Dorsale ist kurz und mit fünf bis acht Giftdrüsen enthaltenen Knochenstrahlen versehen, die hintere Dorsale und die Anale sind lang gestreckt. Beim großen Petermännchen sind die kleinen Stacheln zwischen den Augen ungefährlich.

Petermännchen sind Lauerjäger, die am Tage im Sediment vergraben auf ihre Beute lauern und diese auf Abstände von bis zu einem Meter erjagen. Vor allem in den Monaten Juni – August suchen Petermännchen zur Laichzeit flache Gewässer auf. Sie graben sich in Sand und Schlamm ein, so dass nur die Augen sichtbar sind. Der Leich wird in das Wasser abgegeben und entwickelt sich planktonisch.

Petermännchen gehören zu den giftigsten Tieren Europas. Durch ihre giftigen Flossenstrahlen der vorderen Dorsale in Verbindung mit der Gewohnheit, sich in Strandnähe in den Sand oder Schlamm einzugraben, stellen sie eine erhöhte Gefahr für Badegäste dar. Das von den Tieren abgegebene hitzeempfindliche Hämotoxin enthält unter anderem Serotonin und Proteine, die eine Histaminausschüttung hervorrufen. Die Vergiftung verläuft in der Regel nicht tödlich. Sie verursacht aber schon bei Abgabe geringer Mengen oft starke, schmerzhafte Schwellungen, die sehr lange anhalten können. Das Schmerzempfinden setzt sofort nach dem Stich ein und breitet sich schnell auf benachbarte Regionen oder Gliedmaßen aus. Später (nach ca. 24 Stunden) folgt oft ein ausgeprägtes Taubheitsgefühl. Eventuell können sich flüssigkeitsgefüllte Blasen bilden. Selten können Brechreiz und erhöhte Temperatur auftreten. Als erste Hilfemaßnahme hat sich eine Wärmebehandlung bei Temperaturen von ca. 45 °C der betroffenen Region bewährt, Verbrennungen sind zu vermeiden. Bei Verdacht auf eine Vergiftung sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden.

Petermännchen werden zum Teil als Speisefisch genutzt, haben aber keine überragende Bedeutung für die Nahrungsmittelindustrie. So werden sie hauptsächlich als Beifang in den Netzen der Fischer und beim Angeln angelandet. In Frankreich gelten sie wegen ihres trockenen, aber schmackhaften Fleisches als Delikatesse. Dort wo Petermännchen kommerziell genutzt werden, ist gesetzlich vorgeschrieben, dass den Fischen die Flossenstacheln entfernt werden, bevor sie in den Handel gelangen, da diese oft noch längere Zeit nach dem Fang aktiv sein können.

Die Vorkommen der Petermännchen erstrecken sich auf den östlichen Atlantik und seine Randmeere, vom Senegal bis Norwegen. Außerdem gibt es Nachweise im Mittelmeer, im Schwarzen Meer, in der Nordsee und der westlichen Ostsee. Sie leben je nach Art in Tiefen von wenigen Metern bis 150 Metern.

Holländische Fischer warfen den Fisch oft als Opfergabe an den Schutzheiligen St. Peter ins Meer zurück. Davon wurde später der Name „Petermännchen“ oder „Pietermann“ abgeleitet.


gezeigte Bilder: Großes Petermännchen (Trachinus draco) im Ozeaneum Stralsund

Dienstag, 16. Juni 2009

Wie taucht der Pottwal (physeter macrocephalus)

Alle Wale sind als Säugetiere Warmblüter, der Pottwal, physeter macrocephalus, bildet hierin jedoch in gewisser Hinsicht eine Ausnahme. Er besitzt im Kopfbereich ein besonderes Organ, das Spermacetiorgan. Darin befindet sich eine große Menge Walratöl, in welchem ein Wachs, das Walrat, gelöst ist. Dieses Organ verleiht dem größten Raubtier der Erde nicht nur den charakteristischen Körperumriss mit dem typischen kastenförmigen Kopf, sondern es ermöglicht ihm sehr wahrscheinlich auch die Fähigkeit zum Tieftauchen. Derzeit ist für den Pottwal eine Extremtiefe von mehr als 3000 Metern nachgewiesen und das über eine Dauer von etwa zwei Stunden. Der Tauchgang besteht aus vier einzelnen Phasen, die zyklisch ablaufen.

Diese sind:


  1. Nach dem Auftauchen des Wales, öffnet sich das Blasloch direkt an der Kopfvorderseite und es wird eine unter hohem Druck stehende Menge Gas (Kohlendioxid?) ausgeblasen. Das Tier schwimmt nun etwa 10 Minuten lang aktiv an der Wasseroberfläche und atmet dabei bis zu 60 mal. Dieses Atmen führt zum einen zu einem Vorrat an Sauerstoff durch schließliche Sättigung der speziell ausgebildeten Myoglobinspeicher der Muskulatur (durch Hyperventilation) und er kühlt zum anderen das Spermacetiorgan mit der Außenluft (möglicherweise auch durch eingesaugtes Seewasser?) unter die Körpertemperatur.Dabei kristallisiert der Wachsanteil des Walrats aus dem Walratöl aus. Walrat, wissenschaftlich als Cetaceum oder Spermaceti bezeichnet, ist ein Wachs. Sein Schmelzpunkt liegt bei 42 °C. Walrat löst sich leicht in Walratöl. Der Gewichtsanteil des Wachses beträgt etwa ein Drittel des Walratöls. Natürliches Waltrat ist oberhalb etwa 21°C flüssig, unterhalb 18°C ist es kristallin-fest. Diese Differenz bedeutet, dass das gekühlte und damit auskristallisierte System 2,2% weniger Volumen beansprucht als das erwärmte, also flüssige. Auf die angenommene Größe eines Pottwals von ca. 25 to (davon sind etwa 2,5 to Watrat) erhält das Tier ein äquivalentes Gewichtsplus von ungefähr 40 kg. Die Phase 1 endet mit dem letzten tiefen Atemzug, der quasi alle Sauerstoffspeicher des Körpers vollends füllt und der anschließenden völligen Entleerung der Lungen.Zunächst befand sich der Wal dem Archimedischen Prinzip folgend in der Schwebe. Das Gleichgewicht zwischen Auf- und Abtauchen wäre erreicht, wenn das Gesamtvolumen des Tieres eine Wassermenge verdrängen würde, deren aktuelles Gewicht genau dem Körpergewicht des gesamten Tieres gleich ist. Nach dem Phasenübergang des Walrats zur kristallinen Phase und der damit verbundenen Änderung des spezifischen Gewichts dieses Teilsystems ist diese Bedingung jedoch nicht mehr gegeben. Ein relatives Übergewicht erzeugt eine Zugkraft von etwa 40 kg und zieht den Wal senkrecht in die Tiefe. Die anfängliche Sinkrate von 1,5 bis 2,2 m/s kann beim Abtauchen direkt beobachtet werden, wenn das Tier die Fluke in die Luft erhebt und dann offenbar senkrecht abtaucht. Diese Sinkrate bleibt nun erhalten bis in die volle Tauchtiefe. Das Abtauchen erfolgt offenbar ohne aktive Schwimmbewegungen und somit auch weitgehend ohne Sauerstoffumsatz.


  2. Der Herzschlag des abtauchenden Wals verlangsamt sich nun zum Teil erheblich, was darauf hinweisen kann, dass das Abtauchen keine aktive Schwimmleistung ist. Die Betrachtung der spezifischen Gewichte spricht dafür, dass das Abtauchen ein rein physikalischer, passiver Vorgang ist. Es ist möglich, dass der Wal während des Sinkens schläft. Er würde erst mit dem Erreichen des Tiefseegrundes erwachen, was das Sonar rechtzeitig signalisiert. Die Tauchtiefe wird somit nicht von einer biologischen Leistungsgrenze vorgegeben, sondern von der ozeanographischen Topographie. Der Wal sinkt so lange, bis er in Grundnähe angekommen ist. Das Tier kann aber auch den Tauchvorgang aktiv beenden. Das Absinken dauert bis zu einer Stunde. Der passive Vorgang beansprucht die Sauerstoffvorräte kaum.


  3. Mit dem Erreichen des Jagdreviers erwacht das Tier und beginnt die wahrscheinlich kurze, etwa 10 Minuten andauernde schwimmaktive und sonargelenkte Jagd. Diese erfolgt natürlich unter aktiver Muskelarbeit und unter Sauerstoffumsatz, was auch zu einer erhöhten Wärmeproduktion führt. Das Verschlucken der Beute ändert die Hydrostatik des Pottwals nicht, da sich die Tintenfische für ihre Tauchtiefe ohnehin im Gleichgewicht befinden. Die durch die erhöhte Bewegung erzeugte Körperwärme kann nicht, wie bei Säugetieren sonst, nach außen abgegeben werden, weil die mächtige Speckschicht einen sehr guten Isolator gegen Wärmeverlust darstellt. Insofern würde ein Wärmestau drohen. Das noch kalte Spermacetiorgan dient in dieser Situation jedoch als innerer Kühler und verhindert eine Überhitzung der Muskulatur. Schließlich wird das Kühlorgan soweit durchwärmt, dass der kristallisierte Walrat schmilzt. Dabei ändert sich das spezifische Gewicht des Tieres, das Volumen des Walrat/Walratöl-Systems nimmt zu und damit auch das des ganzen Tieres. Der Wal wird schließlich um etwa 2 - 3% leichter und dadurch sogar gezwungen, die Tiefe zu verlassen und aufzutauchen. Möglicherweise existiert hier ein Schutzmechanismus, so dass der Schmelzpunkt gerade dann erreicht wird, wenn der Sauerstoff verbraucht ist. Somit könnte eine Überschreitung der Tauchzeit quasi im Jagdeifer vermieden werden. Denn die Erschöpfung der Sauerstoffvorräte würde über die vermittelnden thermischen Vorgänge das rechtzeitige Auftauchen erzwingen.


  4. Das Auftauchen des Wals dürfte nun wieder ein rein passiver Vorgang sein. Es wird eine Steigrate erreicht, die im wesentlichen von der Walform und seinem spezifischen Gewicht diktiert wird. Eine aktive Bewegund unter Sauerstoffumsatz liegt dem nicht zugrunde. Die erste aktive Leistung ist der Blas.


Die gezeigten Bilder:

  1. Oberes Bild: Skelett eines 2002 in der Meldorfer Bucht gestrandeten Pottwals. Oberhalb des pfannenförmigen, zahnlosen Oberkiefers befindet sich das Spermacetiorgan.

  2. Unteres Bild: Pottwal im Kampf mit einem Riesenkalmar, Dokumentarplastik aus dem Ozeaneum in Stralsund.